Kann man den Energieverbrauch einer Webpage oder die durch ihren Aufruf verursachten CO2-Emissionen genau beziffern?

Leider nein. Dazu ist das Internet ein viel zu komplexes System und der Energieverbrauch bzw. die CO2-Emissionen von Webseiten hängen von zu vielen Variablen ab.

Allein was die Messung des Energieverbauches eines Webproduktes angeht, gibt es unter WissenschafterInnen die Diskussion, ob die Einheit dafür nun eher kWh pro GB Datentransfer oder kWh pro Stunde Internetkonsum sein sollte. Auch der Energieverbrauch der Server in den Datenzentren hängt nicht nur von der Datenmenge ab, die gespeichert und übertragen werden muss, sondern auch davon, wieviele und welche Requests an den Server während der Datenverarbeitung geschickt werden und ausgeführt werden müssen. Darüber hinaus variiert der Energieverbrauch abhängig von der Entfernung zwischen Server und Endgerät, der Übertragungstechnologie und der Energieeffizienz jeder einzelnen Komponente.

Dennoch ist es für den Diskurs wichtig, Schätzwerte zu errechnen. Einerseits um die Problematik fassbar zu machen, andererseits um zwischen einzelnen Produkten oder Versionen vergleichen zu können.


Eine Schätzmethode

Einige WissenschafterInnen haben folgende zwei Faktoren als Indikatoren für die CO2-Emissionen einer Website definiert:

1. Die übertragene Datenmenge
Die Menge an Daten, die transferiert wird, wenn eine Webpage geladen wird (Page Weight), ist der Ausgangspunkt für die Berechnung. Beim Laden einer Webpage wird zunächst Energie in den Datenzentren verbraucht, dann bei der Übertragung über die Telekom Netzwerke, durch lokale Netzwerkgeräte und zum Schluss von den Endgeräten.

2. Die Kohlenstoffintensität der verbrauchten Elektrizität

Die Methode funktioniert also nach der Daumenregel:
Je größer die übertragene Datenmenge, desto höher der Energieverbrauch und folglich der CO2-Ausstoß!

Für die Energieeffizienz wird nach dieser Methode kWh/GB (Kilowattstunden pro Gigabyte übertragener Daten) als Metrik verwendet. Das Ausmaß der Emissionen, die durch digitale Produkte erzeugt werden, hängt von der Kohlenstoffintensität der Energiequelle ab. Die Kohlenstoffintensität wird in gCO2/kWh angegeben und ist unterschiedlich je nach Energiequelle, bei nuklearen oder erneuerbaren Energiequellen deutlich niedriger als bei fossilen. Wobei der Strom in den Versorgungsnetzen meist eine Mischung aus unterschiedlichen Energiequellen ist.


… unterschiedliche Ergebnisse

Aber auch unter Anwendung dieser Methode kommt es zu (teils beträchtlichen) Unterschieden in den sich ergebenden Werten. Denn die Menge an tatsächlich verbrauchter Energie kann nicht berechnet werden kann, weshalb auf Schätzwerte aus unterschiedlichen Studien zurückgegriffen werden muss.

In der Literatur sind für die Energieintensität von Datentransfer nämlich sehr stark variierende Werte zu finden, von 136 kWh/GB bis 0,004 kWh/GB. Das liegt daran, dass diese Berechnungen davon abhängen, wo jeweils die Systemgrenze gesetzt wird, also welche Bereiche, die für „das Internet“ Strom verbrauchen, mit einbezogen wurden. Eine Studie, die als Ergebnis einen Wert von 0,006 kWh/GB liefert, rechnet z.B. mit einer sehr engen Systemgrenze, wo wichtige Elemente wie Datenzentren, örtliche Netzwerk-Komponenten, internationale Kabelinfrastruktur und Enduser-Devices ausgeschlossen sind.


Ähnlich verhält es sich mit der Kohlenstoffintensität der verbrauchten Elektrizität – denn der CO2 Ausstoß variiert natürlich je nach Energiequelle. Auf dem Weg, den die Daten vom Datencenter bis zum Endgerät zurücklegen müssen, wird Energie aus unterschiedlichen Quellen in unterschiedlicher Zusammensetzung und Menge verbraucht.


Formel Website Carbon Calculator


– Online Tool zum Schätzen von CO2 Emissionen von Webpages

Einige führende ExpertInnen beziehen sich in ihrer Formel für den CO2-Ausstoß pro GB einerseits auf eine Studie von Anders Andrae zum Energieverbrauch der Informations- und Kommunikationstechnologien und zum anderen auf globale Durchschnittswerte von Ember zur Kohlenstoffintensität von Elektrizität.

Wert für die Berechnung des Energieverbrauches: 0,81 kWh/GB

Wert für die Berechnung des CO2-Ausstoßes: 442 g/kWh
(globaler Durchschnittswert für fossile Energieträger)

Im Falle von Green Hosting* wird für den Datencenteranteil dieser Wert verwendet:
50 g/kWh (Durchnittswert für erneuerbare Energieträger, Quelle).

Mehr Infos dazu finden Sie auf sustainablewebdesign.org.


Daraus ergibt sich also folgende Formel für herkömmliches Hosting:



Formel zur Berechnung von CO2 Emissionen einer Webpage: Herkömmliche Energiequellen


Und für Green Hosting:



Formel zur Berechnung von CO2 Emissionen einer Webpage: Green Host

Diese Formel bildet z.B. die Basis für das bekannte Tool Website Carbon Calculator. Dieses Tool geht zusätzlich noch davon aus, dass 25% der BesucherInnen einer Webpage wiederkehren und somit bereits viele Elemente im Cache ihres Browsers gespeichert haben.


Sind Online-Tools zur Berechnung der CO2-Emissionen von Webseiten also Blödsinn?


Nein und Ja.

Wichtiger ist für mich das Nein. Denn solche Wertangaben sind aufmerksamkeitsstark und Tools wie der Website Carbon Calculator kommunizieren auf gut verständliche Weise das Grundproblem: Dass das Internet nämlich kein magischer, sauberer Ort ist, wo wir ohne Auswirkungen beliebig viele Daten speichern, versenden und verarbeiten können.

Und Ja, aber nur, wenn man diese Werte als unumstößliche, fixe Zahlen interpretiert und kommuniziert und nicht als das, was sie letztlich sind: Schätzwerte unter bestimmten Bedingungen und auf Basis von Durchschnittswerten und vorläufigen Forschungsergebnissen.

Ein weiteres Problem des Website Carbon Calculators (und anderer Tools) ist auch, dass nur die Menge an Daten in die Berechnung mit einbezogen wird, die beim ersten Laden im sichtbaren Bereich einer bestimmten Browserfenster-Größe sind. D.h. dass z.B. Bilder, die erst später beim Hinunterscrollen über Lazy Loading geladen werden oder weitere Bilder in Bildkarussellen gar nicht mitberechent werden!

Aber dennoch ist es wichtig, dass es solche Tools gibt. Denn, unabhängig davon, welcher Wert nun genau der richtige ist und wie die Berechnung am nähesten an die Wahrheit rankommt, ist es wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen und den Energieverbrauch und somit die Treibhausgas-Emissionen so gering wie möglich zu halten.


Ein „Green Host“ ist ein Webhosting-Unternehmen, dessen Server mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben werden bzw. das seinen Energieverbrauch kompensiert.

© 2022 Petra Morawa-Zechner